ZEITmagazin: Frau Shafak, Ihre Mutter war alleinerziehend. Das war in der Türkei damals sehr ungewöhnlich. Wie hat Sie das beeinflusst?

Elif Shafak: Nachdem ihre Ehe gescheitert war, kehrte meine Mutter aus Straßburg nach Ankara zurück. Ohne Geld, ohne Arbeit, aber mit einem Baby auf dem Arm. Wir wohnten in einer streng konservativen, patriarchalen, muslimischen Nachbarschaft. Alle lebten in großen Familien mit einem baba als Familienoberhaupt. Wir nicht. Eine geschiedene junge Frau stellte in dieser Umgebung eine Bedrohung dar. Es gab viel Gerede. Aber meine Großmutter hat meine Mutter unterstützt und sie ermutigt, ihre Ausbildung abzuschließen. Ich wuchs bei ihr auf und nannte meine Mutter als kleines Kind abla, also große Schwester.