Almuth Schult ist die erste Frau, die als ARD-Expertin über die Fußball-EM der Männer reden wird. Sie stand selbst lange für die Nationalelf im Tor, 2014 wurde sie zur Welttorhüterin gewählt. Vor einem Jahr hat sie Zwillinge bekommen, damit ist sie die einzige Mutter in der Bundesliga.

ZEIT ONLINE: Frau Schult, als die Sportreporterin Claudia Neumann 2016 die Männer-EM im ZDF kommentierte, wurde sie in den sozialen Medien angefeindet. Nun sprechen Sie als ARD-Expertin im Sommer über die Männer-EM. Fürchten Sie sich schon?

Almuth Schult: Dass Frauen im Fußball nichts verloren haben und nicht über Männerfußball urteilen sollen, habe ich oft genug gehört. Aber da stehe ich drüber. Das ist der Kampf, den ich gefühlt mein ganzes Leben lang führe. Doch vielleicht freuen sich manche und sagen: Endlich macht es eine Frau.

ZEIT ONLINE: Denken wir an Fußball, denken wir an volle Stadien, Traumtore, aber auch an Männer mit teuren Villen. Mit Ihren Kindern und Ihrem Mann leben Sie hingegen weiterhin zusammen mit Ihren Eltern, Ihrer Schwester und deren Familie auf einem Bauernhof im niedersächsischen Wendland.  

Schult: Als ich vor sechs Jahren Nationaltorhüterin wurde, kamen Gerüchte auf. Es hieß, dass meine Eltern den Bauernhof verkaufen könnten, weil ich ihnen ihr Leben finanziere. Ich frage mich: Wo leben die Menschen, die so etwas behaupten? Haben die schon mal gehört, dass eine Fußballspielerin in Deutschland Millionen verdient? So ist das doch nicht bei uns. Das ist nicht unsere Realität.

ZEIT ONLINE: Wie sieht die Realität des Frauenfußballs aus? Männer baden nach dem Spiel im sogenannten Entmüdungsbecken …

Schult: … wir haben solche Becken nicht.

ZEIT ONLINE: Sie lachen. Aber im Ernst: In ganz Deutschland, in keinem Stadion, haben Sie als Fußballerin einen Bereich zum Entspannen?   

Schult: Nein, in den Stadien, in denen wir spielen, haben wir so was nicht. Außer beim DFB-Pokalfinale in Köln – deswegen stehen wir so oft im Endspiel. Wir sind froh, wenn wir genug Platz in der Kabine haben und aus den Duschen warmes Wasser kommt. In manchen Stadien gibt es in der Umkleidekabine nur eine Toilette, aber drei Pissoirs. Das reicht nicht für 18 Spielerinnen. Es ist vorgekommen, dass wir auf dieselben Toiletten wie Fans oder Mitarbeiter gehen mussten. Wir sind solche Situationen gewohnt, aber es ist nicht der Standard, den man sich im Profifußball wünscht.

ZEIT ONLINE: Wer muss investieren, damit alle Fußballerinnen in der Bundesliga warm duschen können?  

Schult: Da gibt es viele Möglichkeiten. Jemand müsste anfangen, damit andere nachziehen: Ein Sponsor könnte einen Verein beispielsweise mit fünf Millionen Euro richtig groß aufziehen. Die ARD könnte jedes Wochenende unsere Spiele übertragen, das würde wiederum Sponsoren anziehen. Unsere Spiele wirken im TV zumeist langsam und langweilig, Männerfußball wird durch zwölf bis 20 Kameras dramatisiert – dadurch sieht deren Spiel automatisch schneller und spannender aus. Bei uns stehen höchstens vier Kameras am Spielfeldrand. Ob es ein Foul war, sieht vorm Fernseher oft niemand.

ZEIT ONLINE: In die Stadien der Frauen-Bundesliga kommen durchschnittlich aber auch nur 900 Fans.

Schult: Das stimmt. Ich denke allerdings, dass unser Potenzial noch nicht erkannt wurde. Dabei ist Frauenfußball sehr nahbar, so wie es zum Teil bei den Männern früher war. Viele schwelgen in Erinnerungen und schwärmen davon, als man als Fan die Profifußballer in der Kneipe treffen konnte. Heute ist es so: Wer zum Beispiel Joshua Kimmich sieht, der möchte mit ihm ein Selfie machen und es posten. Ein Bild davon, wie er in der Kneipe ein Bier trinkt, würde sofort viral gehen. Das kann er sich nicht mehr erlauben. Das Image von Frauenfußball dagegen ist oftmals noch veraltet, früher hat man sich über kickende Frauen lustig gemacht. Das muss sich erst nachhaltig ändern.