Studenten helfen Grundschülern Als Lernbegleiter im Klassenzimmer

Dortmund · Mit dem Projekt „students@school“ soll vor allem an Grundschulen durch Corona versäumter Stoff aufgeholt werden. Studierende unterstützen dabei die Lehrkräfte und vermitteln Basiswissen. Das Interesse ist da: Mehr als 1100 Bewerbungen liegen schon vor, rund 340 Schulen haben sich bislang registriert.

 Lernbegleiter Maximilian Goeritz übt in der Hansa-Grundschule in Dortmund mit Edda, Lenn und Lukas (v.l.). Alle Beteiligten haben für das Foto kurz den Mund-Nasen-Schutz abgenommen.

Lernbegleiter Maximilian Goeritz übt in der Hansa-Grundschule in Dortmund mit Edda, Lenn und Lukas (v.l.). Alle Beteiligten haben für das Foto kurz den Mund-Nasen-Schutz abgenommen.

Foto: Bernd Thissen

Zweimal in der Woche drückt Maximilian Goeritz für vier Stunden die Schulbank: In der Hansa-Grundschule in Dortmund hilft der Lehramtsstudent in einer dritten Klasse den Schülerinnen und Schülern bei Problemen in Deutsch, Mathe und Englisch und sammelt dabei gleichzeitig Erfahrungen für seinen späteren Lehrberuf. „Lernbegleiter“ lautet seine offizielle Bezeichnung; Goeritz’ Aufgabe ist es, die Lehrerin dabei zu unterstützen, coronabedingte Lerndefizite und -rückstände bei den Kindern aufzuholen. Mehr als 1100 Studenten haben sich bereits für das landesweite Projekt students@school als Lernbegleiter registriert. „Für mich ist es das Beste, was mir passieren konnte“, sagt der 27-Jährige. „So lerne ich schon während meines Studiums zu unterrichten.“

 Ins Leben gerufen hat das Programm die Bildungsinitiative Ruhrfutur, das NRW-Schulministerium stellt dafür mehr als zehn Millionen Euro im Rahmen des Landesprojekts „Ankommen und Aufholen für Schülerinnen und Schüler“ zur Verfügung. Eine Pilotphase lief bereits mit den drei Ruhrgebiets-Unis Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen, nun soll ganz NRW davon profitieren. „Ziel ist es, die Situation in Schulen gerade in Risikolagen zu verbessern“, erklärt Ruhrfutur-Geschäftsführer Oliver Döhrmann. „Unsere Lernbegleiter sollen Lehrkräfte aber nicht ersetzen, sondern Hand in Hand mit ihnen arbeiten.“ Der Fokus liege dabei auf den sprachlichen und mathematischen Grundkompetenzen, auf Basiswissen. Dies sollen die Lehramtsstudenten den Schülern der Jahrgangsstufen eins bis sechs vermitteln.

 Anna-Katarina Wensing betreut als Lernbegleiterin vier Klassen, sowohl Zweit- als auch Viertklässler. Wie Goeritz war es der Lehramtsstudentin aus Bochum wichtig, so viel Praxiserfahrungen wie möglich zu sammeln. „Außerdem kann man im Kleinen etwas bewirken, wenn es gelingt, den Kindern etwas weiterzugeben“, sagt die 31-Jährige. An der Freiligrath Grundschule in Dortmund sei sie sehr gut aufgenommen worden. Alle Lehrer würden sich über die Unterstützung freuen. „Die Kinder haben auch wegen Corona so viele Defizite, dass die Lehrer ihnen gar nicht gerecht werden können“, sagt Wensing. Da sei es gut, wenn sie ihnen Arbeit abnehmen und sich intensiver um Einzelne kümmern könnte.

 Mehr als 260 Studierende sind schon als Lernbegleiter im Einsatz, bei allen anderen läuft noch das Verfahren, zu dem auch eine 20-stündige Qualifizierung gehört. Diese beinhaltet eine Mini-Einführung in Didaktik und ins Konzept des Programms. „Die Studenten sollen sich gut vorbereitet fühlen“, sagt Döhrmann. Ob jemand als Lernbegleiter in Frage kommt, hängt auch von der persönlichen Reife ab oder von Vorkenntnissen mit pädagogischen Projekten. Am Ende steht ein Kennenlerngespräch in den Schulen. Döhrmann: „Die Schulen dürfen selbst entscheiden, ob sie mit dem Studierenden zusammenarbeiten wollen.“ Rund 340 Schulen in NRW haben sich bislang für das Programm registriert. Kommt ein Vertrag zustande, läuft die Bezahlung über die Kommunen - 15 Euro erhalten die Lernbegleiter pro Stunde.

 Dafür wird den Studenten einiges abverlangt. In Maximilian Goeritz’ Klasse sind 27 Kinder, viele hätten eine Lernschwäche, alle ein Mitteilungsbedürfnis, sagt er. Und obwohl er zuvor keine Erfahrung mit Grundschülern hatte, ist er begeistert dabei und hofft, auch kleinere Gruppen betreuen zu können. Die Kinder würden die zusätzliche Hilfe auf jeden Fall gerne annehmen, das berichtet auch Wensing. „Sie freuen sich, dass sich jemand Zeit für sie nimmt, bedanken sich sogar explizit dafür“, sagt sie. „Und wenn man merkt, dass das alles einen Mehrwert hat, ist das besonders schön.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften empfindet Wensing als bereichernd, sie habe einen Platz im Lehrerzimmer und werde in viele Fragen und Themen mit einbezogen. Mit vier Tagen pro Woche sei sie für das Kollegium aber auch sehr präsent. Goeritz, der nur zwei Tage pro Woche aushilft, fühlt sich zwar auch gut aufgenommen von der Klassenlehrerin, hätte aber gerne mehr Kontakt zur übrigen Lehrerschaft.

 Bis Ende 2022 ist das Projekt finanziert, bis dahin laufen auch die Verträge mit den Lernbegleitern. Aber sowohl Goeritz als auch Wensing würden gerne weitermachen, wenn ihnen die Möglichkeit dafür geboten würde. Obwohl sie beide später an Gymnasien unterrichten wollen, sehen sie die Arbeit in der Grundschule als gute Basis, auf der sich aufbauen lässt. Auch Döhrmann wünscht sich, dass es weitergeht. Sowohl das Potenzial seitens der Studierenden als der Bedarf seitens der Schulen sei da. „Es wäre gut, wenn daraus ein dauerhaftes Angebot werden könnte“, sagt der Ruhrfutur-Geschäftsführer. Von den Schulen bekomme er als Rückmeldung, dass sie dankbar seien über die Unterstützung. Es werde in Zeiten von massivem Lehrkräftemangel als Chance betrachtet, um verlorenen Unterrichtsstoff wieder aufzuholen. Zum Teil übersteigt die Nachfrage sogar das Angebot. So haben in Düsseldorf und Leverkusen mehr Schulen Bedarf angemeldet, als bislang Lernbegleiter zur Verfügung stehen. Döhrmann hofft also auf viele weitere Anmeldungen für students@school: „Je mehr Studierende wir vermitteln können, desto besser.“

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