Marketing.Award Club

"Wir brauchen neue Visionen"

Der Marketing.Award-Club hat sich zum ersten Wissensaustausch und Netzwerken getroffen.
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Der Marketing.Award-Club hat sich zum ersten Wissensaustausch und Netzwerken getroffen.

Premiere feierte der Marketing.Award-Club im Hotel Papa Rhein in Bingen. Top-Referenten, Preisträger, Nominierte und Jury loteten gemeinsam Zukunfts-Potenziale aus. Tenor der neuen Networking-Plattform: die Kräfte in der Branche bündeln und Perspektiven entwickeln und gestalten.

"Wer die Wertschätzung eines Unternehmens bei Mitarbeitern, Partnern und Öffentlichkeit fördern darf, soll auch Wertschöpfung generieren können." Genau dazu haben die Partner Chefs Culinar und gv-praxis nicht nur vor zwei Jahren erstmals den Marketing.Award ausgelobt, sondern auch den Marketing.Award-Club initiiert. Er feierte nun seine Gründung – Corona-bedingt mit einem halben Jahr Verzögerung. Zu Ziel und Idee des Clubs Chefs Culinar-Geschäftsführer Hans-Gerd Janssen weiter: "Er soll das kreative Kompetenzzentrum für Marketing, Vertrieb und Kommunikation für beruflich Gleichgesinnte in der Gemeinschaftsgastronomie sein." Fest überzeugt ist Janssen, dass vereinte kreative Kräfte in der Branche sie wieder zu alter Stärke führen können. Im Zentrum des Awards stehen die drei großen Ps unternehmerischen Erfolgs: Product, People, Promotion. "Die Gemeinschaftsgastronomie", sagt er entschlossen, "gehört ins Rampenlicht."

Hans-Gerd Janssen machte anlässlich des ersten Marketing.Award-Clubtreffens deutlich, dass die Branche "viele kluge Köpfe zu bieten hat, wie die Preisträger und Nominierten zeigten". Der Zweck des Clubs: "Wir können hier voneinander lernen und gemeinsam Markt machen."
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Hans-Gerd Janssen machte anlässlich des ersten Marketing.Award-Clubtreffens deutlich, dass die Branche "viele kluge Köpfe zu bieten hat, wie die Preisträger und Nominierten zeigten". Der Zweck des Clubs: "Wir können hier voneinander lernen und gemeinsam Markt machen."

Kräfte bündeln für den Innovations-Schub

Dass es eine der dringendsten Aufgaben ist, die Branche mit neuen Ideen wieder auf solide Füße zu stellen, machte gv-praxis-Chefredakteur Burkart Schmid zum Einstieg anhand einiger aktueller Zahlen deutlich – nicht ohne zu postulieren: "Die Gemeinschaftsgastronomie ist systemrelevant, indem sie den gesamten Lifecycle umspannt: Education, Business und (Elder) Care. "Noch nie hat so viel Veränderungsbedarf bestanden. Wir brauchen jetzt Flexibilität, Innovationskraft und hohes Anpassungstempo." Denn längst gäbe es einen neuen ungeahnten Konkurrenten: das in Windeseile professionalisierte Speisen- und Take-away-Angebot der Retailer. "Die Branche muss enger zusammenrücken", lautet seine Forderung. "Die Community muss eine eingeschworene werden und gemeinsam nach vorne schauen." Auch dazu diene das erste Clubtreffen mit prominenten Vertretern aus dem Catering, darunter Eldora Schweiz, und Eigenregie-Größen aus Business und Care.
 

Nachhaltig muss sein

Sowohl die exklusive gv-praxis-Umfrage zur Relevanz bestimmter Faktoren wie Digitalisierung, Subventionen oder auch Personalentwicklung als auch die nachfolgenden Referentinnen ließen einen klaren Mega-Trend erkennen: Nachhaltigkeit steht ganz oben – ohne sein Angebot und Wirtschaften an Umwelt- und Klimaaspekten zu orientieren, wird keiner mehr im Markt bestehen können. Doch muss der Wandel bei Gastronomen jeder Couleur echt sein. "Was nicht authentisch ist und mit Leben gefüllt wird, erkennt der kritischer gewordene Gast nicht an", mahnt Annette Mützel in ihrem Vortrag zum Changemanagement im Marketing. Die Markenstrategin und in den Vorstands- und Kreativetagen der großen System- und Markengastronomen erfahrene Gründerin der Wiesbadener Agentur foodservice solutions ist überzeugt: "Heute ist die Customer Journey enorm wichtig, aber eine ganz andere als noch vor zehn Jahren."

Markenstrategin Annette Mützel mahnte für die Gast-Kommunikation und für jegliches Storytelling Authentizität an.
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Markenstrategin Annette Mützel mahnte für die Gast-Kommunikation und für jegliches Storytelling Authentizität an.
Social Media hat die Kommunikation vom Sender zum Empfänger, Gastronom zu Gast, zum wilden Surren anschwellen lassen. "Jeder spricht mit jedem und überall über alles." Da heiße es, genau hinhören und im vielschichtigen Netz der digitalen Kanäle immer angemessen antworten. Die Apps sind die neue Highstreet, zitiert sie Branchenkenner Dr. Chris Muller. Wer nicht schon jetzt oder wenigstens bald eine omnipotente Kommunikations-, Order-, Bezahl- und Feedback-App vorweisen kann, könnte sich bald außerhalb des Rings wiederfinden.

Der Markt befinde sich in einem beschleunigten Wandel und insbesondere große Konzerne seien oft zu behäbig für schnelle Entscheidungen. "Mut und Tempo sind jetzt gefragt", sagt sie, dazu Good Mood Food, das die Ansprüche an gesund, nachhaltig und hip gleichzeitig erfülle. Und Marketing, Kommunikation, Storytelling müssten eines leisten: Qualität verkaufen. "Wenn der Customer Point stimmt – heute vermehrt im Netz oder per Delivery – kann ich mir einen besonderen Preis leisten."
„Bei Lebensmitteln hat Nachhaltigkeit höchste Relevanz.“
Hanni Rützler
Große Player mit kompromissloser Markenstrategie legten größten Wert darauf, selbst für die Delivery zu sorgen, damit die Markenidentität garantiert immer beim Gast vollständig und überzeugend ankommt. Und auch zum Thema Personalmangel hat sie eine klare Meinung. Der Erfolg hängt direkt mit der Marke zusammen: "Wer für eine coole Marke arbeitet, sich wohlfühlt und Freude daran hat, erzählt es seiner Community. Am besten, man macht seine Fans zu Mitarbeitern."

Krise macht mutig

Gleicher Tenor auch bei Hanni Rützler, anerkannte internationale Foodtrend-Expertin: "Die Not macht nicht erfinderisch, sondern mutig. Die meisten kreativen Ideen waren schon da. Die Krise zwingt uns dazu, sie auszuprobieren und zu sehen, was kommt." Die Innovation komme tatsächlich vor der Krise. Doch auch Hanni Rützler kommt immer wieder auf den Trend zu gesund, bio, frisch und immer fleischloser zurück. Während die Wirtschaftskrisen der jüngeren Vergangenheit einen zart boomenden Bio-Trend einbrechen ließen, habe die Gesundheitskrise Corona den Bio-Boom enorm beschleunigt. "Unser Wertesystem hat sich verschoben, ein Paradigmenwechsel hat eingesetzt, Fleisch, in den Mengen wie wir sie heute essen, werden wir uns bald schlicht nicht mehr leisten können." Doch mahnt sie auch, Fleisch auf keinen Fall zu verbieten: "Wir müssen kulinarisch überzeugen!"

Exotik von zuhause

Trends, die beispielsweise in Dänemark auch politisch vorwärts getrieben würden, wie etwa in Rützlers Diktion "Glokal", also global und lokal, bräuchten bei uns Jahrzehnte. Regionales, Heimatliches müsse keineswegs langweilig sein, sondern könne spannend und neu interpretiert werden – im Trend "Brutal lokal" auf die Spitze getrieben. Hier werde nur verarbeitet, was quasi "vor der Haustür" wächst. Die Spitzen- und Sterneküche entdecke massiv den Trend zum Vegetarischen und Veganen, beflügele die Ideen-Vielfalt, was alles kulinarisch möglich sei. Ihr Credo: "Fleisch verliert die Hauptrolle." Und: Die Post-Corona-Gastronomie sei gemüsereicher.

Urban farming habe im Schneesturm-heimgesuchten New York Lieferketten aufrechterhalten, erzählt Hanni Rützler. Ein Trend, der auch auf Mobilitäts-Konzepte der Zukunft einwirken könne.
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Urban farming habe im Schneesturm-heimgesuchten New York Lieferketten aufrechterhalten, erzählt Hanni Rützler. Ein Trend, der auch auf Mobilitäts-Konzepte der Zukunft einwirken könne.
Der Star-Koch Andreas Caminada habe für sein drittes Restaurant entschieden, dass es rein vegan sein soll. Wer Fleisch konsequent weglasse, ohne missionarisch aufzutreten, dem sei das mediale Interesse sicher. Erste vegane und vegetarische Kochschulen sprächen eine klare Sprache, wohin die Foodreise gehe. "Trends", analysiert Hanni Rützler, "thematisieren aktuelle Problemstellungen, suchen und geben Antworten darauf." Wie auch Annette Mützel betont: "Wir als Gastronomen sind dazu da, Lösungen anzubieten." Das Start-up Green Karma in Düsseldorf habe ganze drei Tage gebraucht nach dem Lockdown am 16. März 2020, um einen Order- und Pick-up-Service für seine Bali-Bowls auf die Beine zu stellen. Keiner sonst war so schnell. Die Umsätze sprachen Bände. Und ermutigende Worte fand Hanni Rützler an die Runde gerichtet: "Wir leben in einer Zeit, in der möglich wird, was vorher undenkbar war. Es braucht neue Visionen für die Gemeinschaftsgastronomie." Das anschließende Networking fanden die Teilnehmer mindestens so spannend, wie das Hoteldesign und das Abendessen von Sternekoch Nils Henkel. Das Treffen endete mit einer Haus- und Konzeptvorstellung am Folgetag. Fazit der Teilnehmer: Programm und Location erhielten Bestnoten.

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